Gibt es Zukunft für das Wasserstoff-Auto?

Schenken wir den Artikeln und Umfragen ( die uns täglich erreichen) Glauben – die wenigsten Deutschen sind der Meinung, dass die Elektromobilität überhaupt Zukunft hat und sich durchsetzen wird.


Diese Umfrage, auch wenn sie nicht sehr repräsentativ ist und unter einer kleinen Gruppe bezogen wird, gibt einen Blick darauf, wie die Stimmung über die zukünftige Mobilität in Deutschland ist.


Schon seit 2011 verspricht uns die Autoindustrie, dass das „Wasserstoffauto dem Elektroautoschwung geben wird“. Und dass wir just um die Ecke, nächstes Jahr, alle mit „Wasserstoffautos“ herumfahren werden. 10 Jahre später zeigt sich eindeutig, dass dies mehr oder weniger eine Hinhaltetaktik war.


Und diese jahrelange Hinhaltetaktik der Autobranche hat offensichtlich in der Bevölkerung Früchte getragen.


“Die Elektromobilität ist nicht die Zukunft, das ist nur eine Übergangslösung.” – Diesen Satz hat auch jeder Elektromobilst mindestens einmal gehört


Ist das aber so?


Wir werden bei der nächsten Analyse vergleiche der Technologie komplett außer Acht lassen. 


Dass ein Wasserstoffauto (meistens wird damit „die Brennstoffzelle“ im Umgangston verwendet, nicht Autos mit Wasserstoff-Verbrennungsmotor) einen deutlich kleineren Wirkungsgrad im Vergleich zu Elektroauto hat, das bezweifeln sogar die größten Elektroauto-Gegner nicht mehr. Übrigens ist der Wirkungsgrad von den sogenannten E-Fuels noch niedriger als bei der Brennstoffzelle und das macht derer Umsetzung im PKW-Bereich noch unwahrscheinlicher.


Und dass ein Wasserstoffauto (Brennstoffzellenauto) nicht in 3 Minuten geladen werden kann, zeigt auch die Praxis in Gegenden mit mehr als zwei Wasserstoff-Autos.


Die Kosten der angebotenen Fahrzeuge oder Erzeugnis-Preise für den zu betankenden Wasserstoff werden wir auch nicht thematisieren. Und wir werden auch nicht darüber sprechen, dass es schon heute Elektroautos gibt (nicht nur eins), die eine größere Reichweite vorweisen, als die Wasserstoffautos mit den größten Reichweiten.


Wir werden uns einfach die Wasserstofftankstellen-Infrastruktur anschauen. 


In Deutschland gibt es heutzutage ungefähr 16000 Tankstellen. Wenn wir die komplette Flotte von Verbrennern auf Wasserstoff umstellen wollen, müssen wir mindestens so viele Tanksäulen aufstellen. Nur in Deutschland!


Schauen wir uns am Besten die heutige Wasserstofftankstellensituation in Deutschland und Europa an:



Momentan gibt es in Deutschland stolze 90 Wasserstofftankstellen. Auf der h2.live Seite befinden sich noch 3 im Aufbau, 25 sind als gestört gemeldet. 2017 waren es 40.


Jedes Jahr kommen also ca. 15-20 neue dazu. 


In Ganz Europa gibt es 116 Wasserstoff-Tankstellen, ganze 27 sind als gestört gemeldet.


45 sollen irgendwann kommen. Termine stehen nicht fest.


Würden wir uns ein Wasserstoffauto kaufen, könnten wir heute von Deutschland Süditalien (aber auch Rom) nicht erreichen. Südfrankreich, Portugal und Spanien sind sowieso außer Reichweite, genau so wie das komplette Osteuropa, Nordskandinavien (keine Nordkapp-Reisen für den Wasserstoffauto-Fahrer) und Teile von England. Nord Irland und Irland haben auch gar keine Wasserstofftankstellen…


Aber selbst Reisen innerhalb Deutschlands sind bei manchen Strecken sehr problematisch – wenn man z.B. hin und zurück ohne zu tanken fahren müsste.


Was kostet eine Wasserstofftankstelle im Aufbau überhaupt?


Selbst die sehr optimistischen “Experten” rechnen mit Summen zwischen 1 Million Euro und 1.5 Millionen Euro, für eine kleine Station mit zwei “Zapfsäulen”. Einige sogar mit zwei Millionen Euro.


Rechnen wir alleine den Bedarf an Tankstellen in Deutschland, ohne die Kosten für Tiefbau wenn wir also die vorhandene Tankstellen-Infrastruktur komplett übernehmen (Umrüstung Tankstelle auf Wasserstoff),  reden wir von einer Größenordnung von ca. 15 bis 22 Milliarden Euro, realistisch aber deutlich über 30, 40 und mehr Milliarden Euro (denn wir wollen ja mehr als 2 Autos gleichzeitig tanken lassen). 


Alleine in Deutschland! Und nur für den Aufbau – Wartung, Versicherung, weitere Kosten vom Betrieb, Transport usw. gar nicht inbegriffen.


Und damit das klar verständlich ist – auch wenn die heutigen Verbrenner auf Wasserstoff-Verbrenner umgerüstet werden (anstatt die Brennstoffzelle, was aus heutiger Sicht noch unwahrscheinlicher ist), ist diese Umrüstung der Tankstellen mit den damit verbundenen enormen Kosten notwendig. Die enormen Kosten für die Umrüstung und Entwicklung der Autos selbst, werden hier gar nicht thematisiert…


Man könnte meinen – nur so viel?! Peanuts, machen wir, für so viel mehr verschwenden wir unser Geld – her mit den Wasserstoff-Tankstellen!


Gut, das mag schon für den gutbetuchten Stammtisch-Deutschen in Wirtschaftskrisenjahren nach wenig Geld klingeln, aber was machen die anderen Länder? Portugal, Spanien, Italien, Griechenland das Gesamte Osteuropa usw. usw. die nehmen sich auch bestimmt jeweils 5-10 Milliarden Euro in die Hand und investieren in Wasserstofftankstellen, ohne dass es dafür bezahlbare Autos gibt? Bestimmt…


Hier stehen wir vor dem klassischen Henne-Ei Problem.


Bis es keine bezahlbare Wasserstoffautos und bezahlbarer Wasserstoff gibt, gibt es auch keine bezahlbare Wasserstofftankstellen. Und umgekehrt. Und weder eine bezahlbare Wasserstofferzeugung noch bezahlbare Wasserstoffautos konnten wir in den letzten 30 Jahren entwickelt (trotz Milliarden Subventionen für die Brennstoffzellen-Entwicklung) – und es zeigt sich, dass dies ausch schwer realisierbar ist oder sein wird.


Wie sieht es dann bei den Elektroautos aus?


Im Gegensatz zu den Wasserstofftankstellen gibt es schon heute mehr als 150,000 offiziell gelisteten Ladesäulen in Europa. Tendenz exponentiell steigend. Werfen wir einen Blick auf die AirElectric App, sehen wir die Vielzahl an Schnellader in Europa und dass diese Zahl von 150,000 wahrscheinlich sehr konservativ ist (wenn wir die privaten und geschäftlichen Ladesäulen dazuzählen würden).


Wenn man ganz genau hinschaut, könnte man meinen, dass über 150,000 Ladestandorte für Elektroautos etwas mehr sind als 130 Wasserstofftankstellen.


Was kostet der Aufbau der Elektro-Ladeinfrastruktur?


Gegenüber 1 bis 1.5 Million Euro für 2 Wasserstoff-Zapfsäulen stehen Kosten von ca. 200,000-400,000€ für ein Schnelladerpark mit 6-8 und mehr Lader. Dort könnte das schnellste ladende Fahrzeug schon heute etwa 300km Autobahnreichweite in 20-25 Minuten nachladen. In Zukunft wahrscheinlich in unter 15 Minuten.


Und noch besser – AC-Ladelösungen (langsames Laden über Nacht – etwa 5-7 Stunden von 0% auf 100%) mit geeichten Zählern können für um die 1000€ bis maximal 2000€ installiert werden. Und diese würden bei 40% der Bevölkerung mit Eigenheim völlig ausreichen. 


Und wenn es keine Wallbox sein muss, dann reicht auch eine rote oder blaue CEE Steckdose (oder zur Not auch Schuko), welche über Nacht die meisten verfügbaren Autos auf dem Markt volladen kann. Kostenpunkt unter 150€-200€.


Momentan gibt es sogar eine staatliche Förderung für den privaten Einbau von Wallboxen, es wurden schon über 150,000 Anträge eingereicht.


Bald werden wir also mindestens 150,000 zusätzliche Ladelösungen alleine in Deutschland haben, welche durch erneuergbare Energien betrieben werden (Bedingung bei der Förderung).


Um 150,000 Wasserstoff-Autos zu versorgen, bräuchten wir schon heute um die 30-40 Wasserstofftankstellen – Kostenpunkt mindestens 40 Millionen Euro, wahrscheinlich deutlich mehr, da im urbanen Bereich der Bau einer solchen Lösung mit weiteren Baumaßnahmen verbunden ist und teilweise sogar verboten ist.


Zu den vielen, schon vorhandenen Ladesäulen, kommen also unzählige private und geschäftliche Wallbox-Besitzer dazu, die in der Statistik gar nicht auftauchen, aber in Apps wie AirElectric


Und selbst im tiefsten Waldgebiet findet sich bestimmt irgendwo eine Steckdose.


Wenn nicht, zur Not kann man ein Elektroauto auch mit mobilen PV-Modulen aufladen, beim Wasserstoffauto keine Chance.


Gibt es denn keine Möglichkeit, dass beide Technologien, das Elektroauto und das Wasserstoffauto, parallel existieren und gemeinsame Zukunft finden?


Im PKW Bereich wissen wir schon heute, dass dies ausgeschlossen ist. 


Zuerst gibt es keinen Autobauer mehr, welcher diese Wasserstoff-Autos bauen soll. Die größten Autobauer der Welt haben sich mehr oder weniger für das Elektroauto entschieden und haben den Umbau auf Elektro schon angestoßen.


Selbst Toyota hat sich gezwungen gesehen, reine Elektroautos in Zusammenarbeit mit chinesischen Unternehmen zu bauen. Wahrscheinlich etwas zu spät.


Durch den Infrastruktur-Aufbau von Wasserstofftankstellen haben wir auch einen Blick in die Zukunft geworfen und sehen, dass die Wasserstoffinfrastruktur einfach nicht so schnell vorangebracht werden kann.


Und bis dies der Fall ist – bis dahin haben wir schon die komplette Ladeinfrastruktur transfomiert und die meisten Autos wurden schon auf Elektroauto umgestellt.


Werfen wir einen Blick nach Norwegen, dann ist das genau diesen Blick in die Zukunft – dort wurde die komplette Infrastruktur auf reine Elektroautos ausgelegt.


Nach der Explosion bei der Uno-X Wasserstofftankstelle in Sandvika 2019 hat sich auch die Gesellschaft gegen das Wasserstoffauto entschieden. 2019 wurden stolze 29 Wasserstoffautos zugelassen und in 2020 waren es gerade noch 15…Die meisten davon sind Händlerautos, da der Verkauf von Wasserstoffautos mehr oder weniger gestoppt wurde.


Gegenüber stehen ca. 77,000 Elektroauto-Zulassungen in 2020 und mehr als 55% Verkaufsanteil aller verkauften Autos in Norwegen. Zählen wir auch noch die PHEV, sind es über 70%-80% der verkauften Autos im Jahr 2020 in Norwegen.


Selbst in einem Land, in dem über 98% des Stroms von Wasserkraftwerken kommt und die Wasserstofferzeugung wahrscheinlich am günstigsten ist, finden die Leute es schlauer, den Strom effizienter von einem Elektroauto zu verbrauchen, anstatt es mit hohen Verlusten zu transportieren und in einer Brennstoffzelle zu „verbrennen“.


Und sobald die Welt auf eine Infrastruktur umgestellt ist, wird es sehr, sehr schwer sein, Geld und Zeit in einer Technologie zu investieren, die sich eh schon seit 30 Jahren nicht durchgesetzt hat und trotz stolzer Unterstützung immer wieder gegen die Wand läuft.


Oder glaubt man wirklich, dass die ganzen Millionen von Ladesäulen und die ganze Infrastruktur in absehrbarer Zukunft (20-30 Jahre) einfach verschwinden werden, damit wir weniger als die Hälfte der verbleibenden Autos auf Wasserstoff umrüsten?


Auch ist es fraglich, dass Eigentümer von Elektroautos von der Bequemlichkeit des günstigen Laden zu Hause, mit zum Teil selbsterzeugtem Solar-Strom und vorhersehbaren Preisen, überhaupt auf Wasserstoffautos umsteigen wollen würden – um dann Kartell und Monopolunternehmen ausgeliefert zu werden.


Wahrscheinlich wird der Wasserstoff auch keine wesentliche Rolle im Schwertransport und bei den Fähren spielen und eher nur im Langzeitspeicherbereich seine Bestimmung finden.


Das Wasserstoff-Auto wird höchstwahrscheinlich in den Annalen der Mobilitätsgeschichte als das HD DVD und Betamax der Mobilität verbleiben.


Und wer immer noch auf das Wasserstoffauto wartet, weil die Nachrichten sich langsam verbreiten und noch im Jahre 2011 lebt – wartet auf Godot.

5 Kommentare zu „Gibt es Zukunft für das Wasserstoff-Auto?“

  1. Ich halte Wasserstoff solange wir erneuerbare Energien nicht im zumindest zeitweiligen Überschuss haben, für nicht Sinnvoll.
    Der weitere Ausbau erneuerbarer Energien muss viel stärker vorangetrieben werden. Dabei will man neben den E-Autos auch Heizwärme mittels Wärmepumpen sprich elektrisch produzieren ….dann benötigt man ein Vielfaches der heute produzierten elektrischen Energie. Die Produktion von Wasserstoff stände dann dazu im Wettbewerb.

  2. Sören Tellier

    Sehr gute Zusammenstellung der Gründe. Es fehlt noch die energetische Kette, die mit Erzeugung und Transport,Kompression und Verbrauch an Strom die Sinnlosigkeit einer Wasserstoff-Mobillität darstellt.

  3. Weitgehend unbekannt ist das Platzproblem, das Wasserstoff hat. Selbst bei 700 bar hat ein kg Wasserstoff einen Platzbedarf von 25 Litern. Die üblichen 6 kg in Pkw brauchen also 150 l und das in sperrigen Gasflaschen. Deshalb bleibt wenig Platz für Innenraum und Kofferraum. Die Herstellung dieser Gasflaschen und der Brennstoffzelle verursachen übrigens mehr CO2 als ein Akku.

    1. Auch dort wird es sehr wahrscheinlich nur der reine Elektroantrieb schaffen. Eine Variante, dass Elektro + Wasserstoff zusammen existieren, ist sehr unwarscheinlich alleine aus Sicht der Infrastruktur und der Anfertigung/Herstellung.

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